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Sonntag, 23. Oktober 2011

Prunk im Nirgendwo - die Wüstenschlösser

So, da ich diese monumentalen Wunderwerke der Zeitgeschichte mit meinem Besuch Jutta das erste Mal in Augenschein nahm gibt es dazu natürlich einen lehrreichen, separaten Blogeintrag. Am 21.10.2011, auf dem Weg von Amman über den Highway Nr. 40 nach Azraq, kamen wir an den beiden sagenumwobenen Wüstenschlössern Qasr al-Kharana und Qasr al-Amra vorbei. Beide natürlich mitten im Nirgendwo, wirklich nichts drum herum außer dem Highway, was aber einen ganz bestimmten Charme und Charakter mit sich bringt. Insgesamt redet man immer von drei Wüstenschlösser, da das Qasr al-Azraq auch mitgezählt wird. Die restlichen zahlreichen anderen Wüstenschlösser sind weniger populär, sollen aber wohl mindestens genauso prachtvoll sein.
Fährt man also von Amman aus in den östlichen Teil Jordaniens, also in die absolute Wüste in Richtung Irak, der Heimat der Beduinen, kommt man also an den bekanntesten Wüstenschlössern vorbei. Dabei handelt es sich um befestigte archichtektonische Meisterwerke, die in der ersten Häfte des 8. Jahrhunderts von den Kalifen der Umayyadendynastie gebaut wurden. Sie dienten mit ihren Hammams (arab. für Bäder) und der raffinierten Einrichtung zum Erholen und Vergnügen, ganz nach der Lebensweise zwischen Jagden, Banketten und poetischen Wettbewerben entsprechend. Außerdem hatten die Schlösser eine strategische Aufgabe: die Schlossherren organisierten Jagdpartien mit prachtvollen Empfängen für die Beduinenoberhäupter, um sich damit die Treue der Nomadenstämme zu sichern, was direkten Einfluss auf die Sicherheit ihres Volkes und Reiches hatte. Sie dienten folglich dem Machterhalt der Kalifen. Weiterhin dienten die Schlösser der Karawanserei als Schutz und Erholung für Karawanan, die durch das Umayyadenreich zogen, der Landwirtschaft (zur Zeit der Kalifendynastie der Umayyaden 661-750 n. Chr.war die heutige Wüsten-und Steppenlandschaft fruchtbares, landwirtschaftlich nutzbares Land) und dem Handel.

Qasr al-Kharana

Etwa 65km östlich von Amman liegt dieses Wüstenschloss. Welche Funktion es genau hatte ist immer noch in Diskussion. Experten streiten dabei um die folgenden drei Möglichkeiten:
- Verteidigungsfestung
- Karawanserei
- oder Rückzugsort für die Umayyaden-Führer zur Besprechung von Staatsangelegenheiten
Laut dem jordanischen Department of Antiquities ist die weitläufig am meisten akzeptierte Funktion allerdings ein khan (eine Art Gasthaus). Wenn dies jedoch stimmt wäre dieses Wüstenschloss das früheste bekannte khan der islamischen Zeit.

Qasr Kharana

Das Qasr al-Kharana ist das am besten erhaltene unter den Wüstenschlössern. Inschriften im zweiten Stock lassen vermuten, dass das Schloss im Jahre 711 n.Chr. in der Zeit des Kalifen al-Walid ibn 'Abd al-Malik gebaut wurde. Das zweistöckige Gebäude ist quadratischer Natur mit einer Seitenlänge von 35m. Es verfügt über 61 (!!) Räume und Ställe. Diese wurden von schrägen, Staub abwehrenden, durch die dicken Mauern verlaufenden Belüftungsschlitzen, die von außen wie Schießscharten anmuten, mit kühlender Luft versorgt.

Übersichtsplan über die beiden Stockwerke des Schlosses
Es lohnt sich auf jeden Fall durch einen der Aufgänge in den zweiten Stock empor zu steigen. Dort erwartet die Besucher eine wunderschöne Aussicht - man sieht eine Menge Sand und noch viel mehr nichts. Hat auf jeden Fall etwas beruhigendes, diese Wüste.

Treppenaufgang

Innenhof
 
Einer der zahlreichen Räume


Qasr Amra

Fährt man vom Qasr al-Kharana weiter den Highway entlang Richtung Azraq kommt man nach etwa 20km zum Qasr Amra. Erbaut wurde es im frühen 8. Jahrhundert n.Chr., zu datieren etwa in der Zeit des Qasr al-Kharana, außer Sichtweite anderer antiker Siedlungen. Zur Zeit der Ummayaden wurde es hauptsächlich als Jagd- und Badelandhaus genutzt. Wiederentdeckt von dem österreichisch-ungarischen Orientalisten Alois Musil im Jahr 1898. Dieses kleinste aller Wüstenschlösser wurde aufgrund seiner Wandmalereien zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt und wird auch als Schönstes der Wüstenschlösser bezeichnet.

Qasr al-Amra
Das Anwesen besteht im wesentlichen aus drei Elementen: einer rechteckige Audienzhalle, die durch zwei längs verlaufende, auf niedrigen Pilastern sitzenden Bögen in drei Gänge geteilt, über welchen drei Tonnengewölbe verlaufen; ein Alkoven (Thron), der rechts und links jeweils eine kleine schummrige mit Mosaik ausgelegte Kammer hat; und ein Badekomplex, der wiederum aus drei Bereichen besteht (Auskleide-, Warm- und Heißraum). Etwa fünf Meter außerhalb des eigentlichen Bades befinden sich die hydraulischen Bauten. Dazu gehören ein erhöhter Wasserspeicher, ein gemauerter tiefer Brunnen und ein Saqiyah, eine Vorrichtung zum Hochpumpen des Brunnenwassers in den Wasserspeicher.

Tiefbrunnen des Qasr al-Amra
Die kompletten Innenseiten des Qasr sind von Freskenmalereien übersät. Sie sind ein Schlüsselmoment der frühen islamischen Kunstgeschichte und wurden aufgrund dessen auch auf die Liste der UNESCO Weltkulturerbe gesetzt. Die Fresken stellen eine Fülle ikonografischer Themen da, die heutzutage in keinem sonstigen Monument zu finden sind. Zu den dargestellten Szenen zählen die Jagd, das Baden, Ringer, Bogenschützen, Musiker und Tänzer, auch auch verschiedene kunst- und handwerkliche Tätigkeiten.

Wandgemälde

Die Wichtigkeit dieser Wandmalereien für die islamische Kunst liegt darin, dass sie zeigen, dass das Verbot der Anfertigung naturgetreuer Bilder eine spätere Entwicklung des Islams war. Bei den Fresken in Qasr al-Amra handelt es sich um rein säkulare Kunst, d.h. keinen religiösen Charakter tragen und somit auch das Privatleben darstellen.

Wandgemälde

Deckengemälde
Was man wohl kaum in einem solchen Bauwerk erwarten würde sind Fresken von halbnackten und nackten Frauen sowie erotische Szenen. Diese sind nicht unbedingt das, was man im Kopf hat, wenn man hört, dass ein muslimischer Auftraggeber Fresken für eine Bade- und Jagdhütte bestellt.

Freskien von halbnackten und nackten Frauen
Der Gesamtzustand des Wüstenschlosses ist durchaus gut, allerdings haben die Wandmalereien sehr unter Vandalismus und unsachgemäßer Behandlung gelitten. Glücklicherweise hat der Entdecker Alois Musil damals Kopien der Fresken angefertigt, so dass sie derzeit von Spezialisten aufgearbeitet und wiederhergestellt werden können.

Hinweis:
Man bezahlt nur einmal Eintritt und kann dann beide Wüstenschlösser besuchen. Öffnungszeiten (variieren Sommer zu Winter) sollten natürlich beachtet werden, sonst steht man vor verschlossener Tür.

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